Wichtige Formvorschriften im Disziplinarverfahren

 

Einleitung durch zuständigen Dienstvorgesetzten gem. § 22 LDG RLP

Das Disziplinarverfahren wird durch den Dienstvorgesetzten eingeleitet. Wichtig: Der höhere Dienstvorgesetzte und die oberste Dienstbehörde können das Disziplinarverfahren an sich ziehen. Die Einleitung ist aktenkundig zu machen, spätestens ab diesem Zeitpunkt ist also eine vollständige Akte zu führen.

Beteiligung des Personalrates (§ 79 II Nr. 13 LpersVG RLP)

Die Beteiligungsrechte des Personalrates bei Disziplinarverfahren sind schwach ausgestaltet. Die Einleitung ist nicht mitbestimmungspflichtig. In RLP ist nur folgende Maßnahme mitbestimmungspflichtig: die vorläufige Dienstenthebung, Einbehaltung von Dienstbezügen und Erhebung der Disziplinarklage gem. § 79 II Nr. 13 LpersVG RLP, sofern die Beamtin oder der Beamte die Mitbestimmung beantragt.

Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten (§ 24 II Nr. 6 LGG)

Auch die Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten sind eher schwach ausgestaltet. Analog zur Beteiligung des Personalrates gilt in RLP folgende Regelung: Die Gleichstellungsbeauftragte ist zu beteiligen bei der vorläufigen Dienstenthebung, Einbehaltung von Bezügen und Erhebung der Disziplinarklage, wenn die Beamtin oder der Beamte die Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten beantragt, § 24 II Nr. 6 LGG.

Interessant ist hier die Regelung auf Bundesebene, wonach die Gleichstellungsbeauftragte bei Einleitung und Abschluss eines Disziplinarverfahrens einschließlich der vorläufigen Dienstenthebung zu beteiligen ist, § 27 I Nr. 1 Buchstabe d) 2. Alt.

Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvetretung gem. § 178 II SGB IX

Die Verpflichtung des Dienstherren, die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F (§ 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX n.F.) zu beteiligten, gilt gem. Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.09.18 – 14 MB 1/18 auch im Disziplinarverfahren.Die unterlassene Beteiligung einer Schwerbehindertenvertretung vor dem Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme stellt nach dieser Entscheidung einen wesentlichen Mangel des Disziplinarverfahrens im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 LDG SH i.V.m. § 55 BDG dar. Da die Rechtsvorschriften der anderen Länder ähnlich formuliert sind, muss sorgfältig geprüft werden, ob auch hier eventuell ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt.

Unterrichtung, Belehrung und Anhörung des Beamten gem. § 26 LDG RLP

Der Beamte ist über die Durchführung des Disziplinarverfahrens zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Sachverhaltsaufklärung möglich ist.

Hierbei ist ihm zu eröffnen, welche Verfehlung ihm zur Last gelegt wird. Die Verfehlung sollte möglichst genau mit Ort, Datum, beteiligten Personen, eventuelle Schadenshöhe und verletzter Beamtenpflicht dargestellt werden.

Beispiel: Am 27.09.23 sollen Sie gegen 14 Uhr 500 Euro aus der Bargeldkasse im Empfangsbereich entwendet haben. Zeuge hierfür ist die Beamtin Meier. Beamte haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen, § 33 Abs. 1 S. 2 BeamtStG. Durch das Entwenden von 500 Euro könnten Sie gegen diese Pflicht verstoßen haben.

Folgende Belehrung sollte erfolgen:

Gleichzeitig werden Sie darauf hingewiesen, daß es Ihnen freisteht, sich mündlich oder schriftlich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und Sie sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands bedienen können.

Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung wird Ihnen eine Frist von einem Monat und für die Abgabe der Erklärung, sich mündlich äußern zu wollen, eine Frist von einer Woche gesetzt. Haben Sie rechtzeitig erklärt, sich mündlich äußern zu wollen, ist die Anhörung innerhalb eines Monats nach Eingang der Erklärung durchzuführen. Sind Sie aus zwingenden Gründen gehindert, die Frist nach Satz 1 dieses Absatzes einzuhalten oder einer Ladung zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten, und haben Sie dies unverzüglich mitgeteilt, ist die maßgebliche Frist zu verlängern oder Sie sind erneut zu laden.

Wichtig: Ist die vorgeschriebene Belehrung unterblieben oder unrichtig erfolgt, darf die Aussage des Beamten nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.

Beweiserhebung durch die Behörde (§ 29 LDG RLP) 

Bei der Beweiserhebung müssen die Formvorschriften gem. § 29 LDG RLP beachtet werden.

Niederschriften über Aussagen von Personen, die schon in einem anderen gesetzlich geordneten Verfahren vernommen worden sind, sowie Niederschriften über die Einnahme eines richterlichen Augenscheins können ohne nochmalige Beweiserhebung verwertet werden.

Über Beweisanträge des Beamten entscheidet der Dienstvorgesetzte oder der Ermittlungsführer nach pflichtgemäßem Ermessen. Den Beweisanträgen ist stattzugeben, soweit sie für die Tat- oder Schuldfrage oder für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sein können.

Dem Beamten ist Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie an der Einnahme des Augenscheins teilzunehmen und hierbei sachdienliche Fragen zu stellen. Er kann von der Teilnahme ausgeschlossen werden, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf den Zweck der Ermittlungen oder zum Schutz der Rechte Dritter, erforderlich ist. Ein schriftliches Gutachten ist ihm zugänglich zu machen, soweit nicht zwingende Gründe dem entgegenstehen.

Zeugen und Sachverständige (§ 30 LDG RLP)

Zeugen sind zur Aussage und Sachverständige zur Erstattung von Gutachten verpflichtet. Die Bestimmungen der Strafprozeßordnung über die Pflicht, als Zeuge auszusagen oder als Sachverständiger ein Gutachten zu erstatten, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend.

Verweigern Zeugen oder Sachverständige ohne Vorliegen eines der in den §§ 52 bis 55 und § 76 StPO bezeichneten Gründe die Aussage oder die Erstattung des Gutachtens, kann das Verwaltungsgericht um die Vernehmung ersucht werden. In dem Ersuchen sind der Gegenstand der Vernehmung darzulegen sowie die Namen und Anschriften der Beteiligten anzugeben. Das Verwaltungsgericht entscheidet über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aussage oder der Erstattung des Gutachtens.

Eher seltene Zwangsmaßnahmen im Disziplinarverfahren: Herausgabe von Schriftgut, Beschlagnahmen und Durchsuchungen, Untersuchung des Beamten in einem Krankenhaus (§§ 31 – 33 LDG RLP) 

Die vorbezeichneten Ermittlungsmaßnahmen sind weniger praxisrelevant und werden daher zusammengefasst dargestellt. Sofern der Dienstherr die vorbezeichneten Maßnahmen für erforderlich hält, sollte eine Strafanzeige erwogen werden. Die Ermittlungsbehörden haben weitergehende Befugnisse und können schneller zu Ergebnissen gelangen. Der Dienstherr selbst wird in der Regel einen Antrag beim Verwaltungsgericht stellen müssen. Je nach Auslastung des Verwaltungsgerichtes kann sich das Verfahren dadurch deutlich in die Länge ziehen.

Vorgaben für das Erstellen von Protokollen (§ 34 LDG RLP)

Über jede Anhörung des Beamten sowie über jede Beweiserhebung ist ein Protokoll aufzunehmen.

§ 168 a StPO gilt entsprechend:

(1) Das Protokoll muß Ort und Tag der Verhandlung sowie die Namen der mitwirkenden und beteiligten Personen angeben und ersehen lassen, ob die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens beachtet sind. § 68 Abs. 2, 3 bleibt unberührt.
(2) Das Protokoll kann in Form einer wörtlichen Wiedergabe der Verhandlung (Wortprotokoll) oder in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts (Inhaltsprotokoll) sowohl während der Verhandlung als auch nach ihrer Beendigung erstellt werden. Die Verhandlung kann wörtlich oder in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts (zusammenfassende Aufzeichnung) aufgezeichnet werden. Der Nachweis der Unrichtigkeit des Protokolls anhand der Aufzeichnung ist zulässig.
(3) Wird das Protokoll während der Verhandlung erstellt oder wird die Verhandlung in Form einer Zusammenfassung ihres Inhalts aufgezeichnet, so ist das Protokoll oder die zusammenfassende Aufzeichnung den an der Verhandlung beteiligten Personen, soweit es sie betrifft, zur Genehmigung auf einem Bildschirm anzuzeigen, vorzulesen, abzuspielen oder zur Durchsicht vorzulegen, es sei denn, sie verzichten darauf.
(4) Wird das Protokoll nach Beendigung der Verhandlung als Inhaltsprotokoll erstellt, so ist es den an der Verhandlung beteiligten Personen, soweit es sie betrifft, zur Genehmigung zu übermitteln, es sei denn, sie verzichten darauf.
(5) Wird das Protokoll nach Beendigung der Verhandlung durch die wörtliche Übertragung einer Aufzeichnung erstellt, so versieht die Person, welche die Übertragung hergestellt oder eine maschinelle Übertragung überprüft hat, diese mit ihrem Namen und dem Zusatz, dass die Richtigkeit der Übertragung bestätigt wird.
(6) Die Art der Protokollierung und der Aufzeichnung, die Genehmigung des Protokolls oder einer zusammenfassenden Aufzeichnung, Einwendungen dagegen sowie ein Verzicht auf die Vorlage zur Genehmigung sind im Protokoll zu vermerken oder sonst aktenkundig zu machen. Aufzeichnungen sind zu den Akten zu nehmen, bei der Geschäftsstelle mit den Akten aufzubewahren oder in anderer Weise zu speichern. Sie können gelöscht werden, wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen oder sonst beendet ist; § 58a Absatz 2 Satz 2 und § 136 Absatz 4 Satz 3 bleiben unberührt. Die Art der Aufbewahrung oder Speicherung und die Löschung sind aktenkundig zu machen.

Akteneinsicht durch den Beamten (§ 35 LDG RLP)

Dem Beamten ist zu gestatten, die Akten und beigezogenen Schriftstücke einzusehen, sobald und soweit dies ohne Gefährdung der Sachverhaltsaufklärung möglich ist.

Mitteilung des wesentlichen Ergebnisses nach Abschluss der Sachverhaltsermittlung (§ 36 LDG RLP)

Sofern das Disziplinarverfahren nicht eingestellt werden soll, ist dem Beamten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekanntzugeben und ihm Gelegenheit zu geben, innerhalb der Frist von einer Woche weitere Ermittlungen zu beantragen. Ist der Beamte aus zwingenden Gründen gehindert, die Frist einzuhalten, und hat er dies unverzüglich mitgeteilt, ist die Frist zu verlängern. Über den Antrag entscheidet der Dienstvorgesetzte nach pflichtgemäßem Ermessen.

Sofern das Disziplinarverfahren nicht eingestellt werden soll, ist dem Beamten außerdem Gelegenheit zu geben, sich abschließend zu äußern; § 26 Abs. 2 gilt entsprechend. Es bietet sich daher wieder folgender Textbaustein zur Belehrung an:Für die Abgabe einer schriftlichen Äußerung wird Ihnen eine Frist von einem Monat und für die Abgabe der Erklärung, sich mündlich äußern zu wollen, eine Frist von einer Woche gesetzt. Haben Sie rechtzeitig erklärt, sich mündlich äußern zu wollen, ist die Anhörung innerhalb eines Monats nach Eingang der Erklärung durchzuführen. Sind Sie aus zwingenden Gründen gehindert, die Frist nach Satz 1 dieses Absatzes einzuhalten oder einer Ladung zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten, und haben Sie dies unverzüglich mitgeteilt, ist die maßgebliche Frist zu verlängern oder Sie sind erneut zu laden.

Seltener Spezialfall: Abgabe des Disziplinarverfahrens an höheren Dienstvorgesetzten (§ 37 LDG RLP) 

Hält der Dienstvorgesetzte nach dem Ergebnis der Ermittlungen seine Befugnisse nach den §§ 38 bis 40 nicht für ausreichend, führt er die Entscheidung des höheren Dienstvorgesetzten oder der obersten Dienstbehörde herbei. Der höhere Dienstvorgesetzte oder die oberste Dienstbehörde können das Disziplinarverfahren an den Dienstvorgesetzten zurückgeben, wenn sie weitere Ermittlungen für geboten oder dessen Befugnisse für ausreichend halten.

Ergebnis des Disziplinarverfahrens: Einstellungsverfügung (§ 38 LDG RLP) oder Disziplinarverfügung (§ 39 LDG RLP) oder Disziplinarklage (§ 40 LDG RLP)

Sofern das Disziplinarverfahren eingestellt wird, hat eine Begründung zu erfolgen. Es bietet sich dann eine kurze Sachverhaltsdarstellung zum Tatvorwurf und eine Erläuterung der Einstellungsgründe an. Regelfall für die Einstellung ist, dass ein Dienstvergehen nicht erwiesen ist.

Wird eine Disziplinarmaßnahme (z.B. Geldbuße) verhängt, ist diese ebenfalls mit Sachverhaltsdarstellung zu versehen und rechtlich zu begründen.

Relativ viele formelle Vorgaben für die Disziplinarklage macht § 40 LDG RLP: Die Disziplinarklage wird bei Beamten durch die oberste Dienstbehörde, bei Ruhestandsbeamten durch den nach § 14 Abs. 2 Satz 1 zuständigen Dienstvorgesetzten erhoben. Die oberste Dienstbehörde kann ihre Befugnis nach Satz 1 durch Rechtsverordnung auf nachgeordnete Behörden und Einrichtungen übertragen. § 22 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 3 und 4 LDG RLP gilt entsprechend.

Kostentragung (§ 41 LDG RLP) im Disziplinarverfahren und Rechtsbehelf gegen Bescheide (§ 42 LDG RLP) 

Es muss eine Entscheidung zur Kostentragungspflicht von Dienstherren oder Beamten getroffen werden.

Sowohl Einstellungsverfügung als auch Disziplinarverfügung sind mit einer Rechtsbehelfsbelehrung (Widerspruchsverfahren) zu versehen.

Vorläufige Dienstenthebung und Einbehalten von Bezügen bei voraussichtlichem Ende des Beamtenverhältnisses (§§ 45 ff. LDG RLP)

Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde (§ 40 Abs. 2) kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.