Die Schönbohm Affäre aus disziplinarrechtlicher Sicht (Urteil noch ausstehend)

Eventuell hat der Dienstherr durch überlange formlose Ermittlungen gegen das Disziplinarrecht verstoßen.

Worum geht es in der Schönbohm Affäre ?

In der sogenannten Schönbohm-Affäre geht es um die angebliche Nähe des damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, zu russischen Kreisen. Der Verdacht wurde im Oktober 2022 in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann geweckt. In der Sendung wurde berichtet, dass Schönbohm Mitglied in einem Cyberverein sei, der Kontakte zu russischen Geheimdiensten habe.

Nach der Ausstrahlung der Sendung wurde Schönbohm von der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) abberufen. Faeser begründete die Entscheidung mit einem Vertrauensverlust in Schönbohm.

Die CDU/CSU-Opposition wirft Faeser vor, Schönbohm vorschnell abserviert zu haben. Die Oppositionsparteien sind der Meinung, dass Faeser Schönbohm vor der Abberufung nicht ausreichend Gelegenheit gegeben habe, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Die Affäre ist noch nicht abschließend geklärt. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages ist derzeit damit befasst, die Vorwürfe gegen Schönbohm zu prüfen.

Welche Maßnahmen hat der Dienstherr ergriffen, wie wehrt sich Schönbohm ?

Am 18. Oktober 2022 wurde Schönbohm zunächst das Führen der Dienstgeschäfte verboten.  Schönbohm hatte ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt, dass aber vom Dienstherren abgelehnt wurde. Laut Bundesbeamtengesetz muss nach dem Dienstgeschäfteverbot – sollten keine disziplinarwürdigen Verfehlungen nachzuweisen sein – der betroffene Beamte spätestens nach Ablauf von drei Monaten weiter in seinem bisherigen Amt beschäftigt oder gleichwertig versetzt werden. Schönbohm wurde zwischenzeitlich auf die Stelle des Präsidenten der Bundesakademie für die öffentliche Verwaltung versetzt. Der Dienstposten wurde heraufgestuft, mutmaßlich damit Schönbohm amtsangemessen weiter beschäftigt werden kann. Schönbohm klagt gegen seinen Dienstherren wegen Verletzung der Fürsorgepflicht und begehrt Schadensersatz. 

Warum ist der Fall disziplinarrechtlich interessant ?

Der Dienstherr hat monatelang gegen Schönbohm ermittelt, ohne ein Disziplinarverfahren zu eröffnen. Dies ist nur in engen Grenzen zulässig. Sobald der Dienstherr den Beamten eines Dienstvergehens verdächtigt, muss er ein Disziplinarverfahren eröffnen. Erschwerend kommt hinzu, dass Schönbohm selbst gegen sich die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens beantragt hatte. Ein solcher Antrag darf vom Dienstherren nur abgelehnt werden, wenn kein Verdacht für ein Dienstvergehen besteht (§ 18 II BDG). Überdies hat der Dienstherr trotz abgelehnten Antrages wohl weiter gegen Schönbohm ermittelt. Dies ist widersprüchlich: Sofern kein Verdacht auf ein Dienstvergehen besteht, dürfen auch keine Ermittlungen geführt werden. Die Ermittlungen dürfen allenfalls fortgesetzt werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch der Verdacht auf ein Dienstvergehen sich erhärten könnte.

Eventuell wollte der Dienstherr kein Disziplinarverfahren eröffnen, da dieses streng formalisiert ist und weitgehende Rechte für den betroffenen Beamten vorsieht. Dann besteht aber die Gefahr, dass die Fürsorgepflicht verletzt wird. Vor diesem Hintergrund hat Schönbohm seinen Dienstherren auch verklagt und fordert Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorgepflicht.

Fraglich ist auch, ob der Dienstherr Schönbohm das Führen der Dienstgeschäfte verbieten durfte. Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden, § 39 I S. 1 BeamtStG. Zwingende dienstliche Gründe liegen in solchen Umständen, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten nicht vertretbar erscheinen lassen, weil andernfalls mit großer Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung, Dritter oder des Beamten selbst drohen. Ein Verschulden von Herrn Schönbohm war insoweit nicht erforderlich. Durch die Böhmermann Sendung hatte der Fall eine starke Präsenz in den Medien. Der Dienstherr hätte sich rechtfertigen müssen, wenn Schönbohm in dieser Situation nicht das Führen der Dienstgeschäfte verboten worden wäre. Daher dürfte das Verbot eher rechtmäßig gewesen sein.

Es bleibt im Übrigen abzuwarten, ob der Dienstherr hier ohne Einleitung eines Disziplinarverfahrens ermitteln durfte oder ob er seine Fürsorgepflicht gegenüber Schönbohm verletzt hat. Die Kanzlei wird weiter über den Fall berichten.