Außerordentliche oder fristlose Kündigung im öffentlichen Dienst: Gründe – Frist – ALG

Wie lässt sich fristlos ohne Abmahnung kündigen? Erfahren Sie mehr zur fristlosen Kündigung (§ 626 BGB), Gründen (z.B. Diebstahl), Arbeitslosengeld und Urlaubsanspruch und was Arbeitnehmer bei fristloser Kündigung (während/ wegen Krankheit) tun können. Es wird informiert, welche Frist gilt und wie bestimmte Personengruppen (z.B. Schwerbehinderte, Betriebsrat) bei außerordentlicher Kündigung geschützt sind.

1. Was ist eine fristlose Kündigung?

Im Unterschied zur ordentlichen Kündigung beendet eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB ein Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist.
Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sind vom Gesetz her zur fristlosen Kündigung berechtigt. Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich, da der fristlosen Kündigung immer eine besonders schwere Pflichtverletzung zugrunde liegt.

2. Abgrenzung: Fristlose Kündigung vs außerordentliche Kündigung

Gut zu wissen: Die Bezeichnung „fristlose Kündigung“ ist juristisch nicht genau. Jede fristlose Kündigung ist auch eine außerordentliche Kündigung. Aber nicht jede außerordentliche Kündigung ist zwangsläufig eine fristlose Kündigung!

Beide Begrifflichkeiten müssen unterschieden werden. Das gilt insbesondere im öffentlichen Dienst, denn hier hat die außerordentliche Kündigung eine besondere Bedeutung.

So kann eine außerordentliche, fristlose Kündigung nur aus wichtigem Grund, wie z.B. bei Störungen im Vertrauensbereich (Diebstahl), ausgesprochen werden.

Dagegen kann bei einer außerordentlichen Kündigung auch ohne Pflichtverstoß und Verschulden gekündigt werden. Beispielsweise bei Betriebsstillegung und Geschäftsaufgaben, wenn allen Arbeitnehmern – auch den tariflich oder gesetzlich unkündbaren Arbeitnehmer – gekündigt werden muss. Man spricht dann von einer sog. außerordentlichen Kündigung ohne Verschulden.

Die außerordentliche Kündigung spielt im öffentlichen Dienst eine große Rolle, denn hier sind vor allem dienstältere Beschäftigte tarifvertraglich vor einer ordentlichen Kündigung geschützt: Beschäftigte ab dem 40. Lebensjahr mit mindestens 15 Dienstjahren können nicht mehr ordentlich gekündigt werden (§ 34 Abs. 2 TVöD/TV-L für das Tarifgebiet West). Dem Arbeitgeber bleibt dann nur eine außerordentliche Kündigung.

Die außerordentliche Kündigung setzt in diesem Fall aber eine Kündigungsfrist voraus, die der geltenden Kündigungsfrist bei Unkündbarkeit entspricht (sog. hypothetische Kündigungsfrist). Die unkündbaren Arbeitnehmer sollen im Vergleich zu einer betriebsbedingten, ordentlichen Kündigung nicht schlechter gestellt werden.

3. Fristlose Kündigung nur mit wichtigem Grund

Eine fristlose Kündigung bedarf einer gründlichen Vorbereitung, damit es in einem späteren Gerichtsverfahren nicht zu Schwierigkeiten kommt. So gelten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer strenge rechtliche Voraussetzungen, um ein Arbeitsverhältnis wirksam fristlos zu kündigen:

  • Zunächst muss ein schwerer Pflichtverstoß (= wichtiger Grund) gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorliegen.
  • Der Verstoß muss so gravierend sein, dass es der kündigenden Vertragspartei nicht zumutbar ist, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten.
  • Es dürfen keine rechtfertigenden Umstände für den Pflichtverstoß vorliegen und die Kündigung muss verhältnismäßig sein.
  • Die Interessen des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen den Interessen des Arbeitnehmers an einer Fortführung der Beschäftigung überwiegen.

Als von der Rechtsprechung anerkannte, schwerwiegende Gründe für eine fristlose Kündigung kommen u.a. in Betracht:

Infografik Fristlose/Außerordentliche Kündigung

Beschäftigte im öffentlichen Dienst sollten besondere Vorsicht walten lassen, denn hier droht eine fristlose Kündigung vor allem dann, wenn Belohnungen oder Geschenke angenommen werden:

Beschäftigte im öffentlichen Dienst unterliegen dem Schmiergeldverbot (für das Tarifgebiet West z.B. geregelt in § 3 Abs. 2 TVöD/TV-L). Nimmt ein Beschäftigter ein Geschenk an und droht dadurch eine Beeinflussung zugunsten eines Dritten oder zum Nachteil des Arbeitgebers, droht regelmäßig eine fristlose Kündigung.

Achtung: Bei einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Geschenk, wird vermutet, dass das Geschenk in Bezug auf die Tätigkeit erfolgte.

Eine fristlose Kündigung kann außerdem aufgrund außerdienstlicher Fehltritte ergehen. Auch eine Verletzung der politischen Treuepflicht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst kann eine fristlose Kündigung auslösen (z.B. Engagement in einer verfassungsfeindlichen Partei).

Im Ausnahmefall kann auch eine nicht angemeldete Nebentätigkeit einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen. Eine Kündigung ist in diesem Fall aber nur dann zulässig, wenn sich durch die Nebentätigkeit die Arbeit im öffentlichen Dienst massiv verschlechtert hat oder die Nebentätigkeit in keinster Weise mit dem Ansehen des öffentlichen Dienstes vereinbar ist (z.B. bei Interessenkonflikt zwischen Haupt- und Nebentätigkeit).

Gut zu wissen: Grundsätzlich unzulässig ist eine fristlose Kündigung wegen Krankheit, denn die Erkrankung ist kein wichtiger Grund, der die Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht. In diesem Fall bleibt nur die ordentliche Kündigung wegen Krankheit.

Besteht kein Zusammenhang zwischen der fristlosen Kündigung und der Erkrankung des Arbeitnehmers, kann auch während einer Krankheit fristlos gekündigt werden. Krankheit schützt also nicht vor fristloser Kündigung!

Eine wirksame fristlose Kündigung setzt zudem voraus, dass der Pflichtverstoß nicht durch besondere Umstände gerechtfertigt ist. Ebenfalls muss der Arbeitnehmer vorsätzlich oder zumindest fahrlässig, d.h. schuldhaft, gehandelt haben. Verweigert ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung z.B. aus moralischen oder religiösen Gewissenskonflikten, könnte unter Umständen ein Rechtsfertigungsgrund bestehen.

4. Mildere Mittel (Verhältnismäßigkeit) und Interessenabwägung

Zudem muss eine fristlose Kündigung verhältnismäßig sein: Es dürfen also keine milderen Mittel bestehen, um die durch die Pflichtverletzung entstandene Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen.

Zugleich ist eine negative Prognose erforderlich, dass sich das Vertrauensverhältnis auf Grund der Schwere der Pflichtverletzung nicht reparieren lässt, da auch in Zukunft gleiche oder ähnliche Pflichtverletzungen angenommen werden müssen.

Dies erfordert eine Einzelfallprüfung. Eine Versetzung innerhalb des Unternehmens oder eine Abmahnung sind Beispiele für mildere Mittel. Eine fristlose Kündigung wäre in diesen Fällen unwirksam.

Gut zu wissen: Aus Arbeitnehmersicht ist grundsätzlich ein schwerer Pflichtverstoß anzunehmen, wenn der Arbeitgeber mit zwei Gehaltszahlungen in Verzug ist. Allerdings müsste der Gehaltsrückstand zunächst abgemahnt (= milderes Mittel) und der Arbeitgeber zur Zahlung mit Frist aufgefordert werden. Erst wenn die Abmahnung keine Wirkung erzielt (= negative Prognose), kann wirksam fristlos gekündigt werden.

Für eine wirksame, fristlose Kündigung müssen die Interessen des Arbeitsgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers an einer Fortführung der Beschäftigung überwiegen. Dabei sind auch die Gesamtumstände des Einzelfalls, wie das Lebensalter des Arbeitnehmers, seine soziale Situation, Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. War z.B. eine ältere Mitarbeiterin mit einem pflegebedürftigen Kind schon sehr lange im Unternehmen beschäftigt und hatte sie sich zuvor nie etwas zuschulden kommen lassen, könnte das zu ihren Gunsten bewertet werden.

Bei langen, störungsfreien Beschäftigungsdauern ist eine fristlose Kündigung wegen kleinerer Vermögensdelikte – sogenannte Bagatellschäden – nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10.06.2010, 2 AZR 541/09) meistens nicht verhältnismäßig.

5. Wann muss eine fristlose Kündigung erklärt werden?

Eine fristlose Kündigung muss zwingend innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes erklärt werden. Ansonsten wäre sie unwirksam. Die 2-wöchige Frist beginnt, wenn die zur Kündigung berechtigte Person Kenntnis über die zur Kündigung maßgeblichen Umstände erlangt hat.

Im öffentlichen Dienst kann das problematisch sein, denn häufig ist der unmittelbare Dienstvorgesetzte nicht zur Kündigung berechtigt. Demnach ist seine Kenntnis auch nicht maßgeblich für den Beginn der 2-Wochen-Frist. Auf wessen Kenntnis es tatsächlich ankommt, sollte gerade im öffentlichen Dienst gründlich geprüft werden, denn häufig vergeht aufgrund der komplexen Behördenstruktur viel Zeit, bis die Kündigung tatsächlich ausgesprochen wird. Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst ist das ein Anhaltspunkt, sich mit dem Einwand der verspäteten Kündigungserklärung gegen diese zu wehren.

Auch sonst kommt es häufig vor Gericht zu Streitfragen, ob die Kündigungsfrist eingehalten wurde.

Begründet sich der wichtige Grund z.B. erst in der Gesamtheit mehrerer einzelner Pflichtverstöße, beginnt die Frist, wenn dem Kündigungsberechtigten der letzte Verstoß bekannt geworden ist. Ist der Arbeitnehmer straffällig geworden, ist zunächst das Ende des Strafverfahrens abzuwarten. Bei unentschuldigtem Fehlen beginnt die Frist, sobald der Arbeitnehmer wieder bei seiner Arbeit erscheint.

Gut zu wissen: In Ausnahmen – z.B. wenn die Parteien versuchen, das Arbeitsverhältnis ohne fristlose Kündigung zu beenden – kann die Kündigungsfrist verlängert werden.

6. Muss der Kündigungsgrund benannt werden?

Eine Angabe des Kündigungsgrundes ist bei fristloser Kündigung nicht erforderlich.

Auch ohne Angabe von Gründen wird die fristlose Kündigung wirksam, wenn zum Zeitpunkt der Erklärung objektiv eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorlag.

Auf Verlangen des gekündigten Arbeitnehmers muss der Kündigungsgrund aber unverzüglich schriftlich mitgeteilt werden.

Achtung: Wird der Kündigungsgrund nicht genannt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung! Spätestens wenn ein Kündigungsprozess vor Gericht geführt wird, sind alle Gründe offen zu legen.

7. Wann ist eine Anhörung erforderlich?

Es besteht keine rechtliche Verpflichtung, den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung anzuhören! Dies wird aber dringend empfohlen, denn häufig lassen sich Pflichtverstöße in Kündigungsschutzverfahren nicht mit Sicherheit beweisen!

Allerdings gibt es Sonderfälle:

  • Wenn im Unternehmen ein Betriebsrat beziehungsweise ein Personalrat existiert, ist eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers durch den Betriebsrat zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung!
  • Auch muss der Arbeitnehmer bei einer sog. Verdachtskündigung angehört werden!
    Bei dieser besonderen Form der Kündigung besteht ein dringender Tatverdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung (z.B. strafbare Handlung). Will der Arbeitgeber auf Verdacht kündigen, muss er im Vorfeld alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um den Sachverhalt aufzuklären. Dazu muss er den Arbeitnehmer anhören. Lässt sich der Verdacht durch die Anhörung nicht beseitigen, kann wirksam gekündigt werden.

8. Welche Personen sind besonders geschützt?

Spezielle Verfahrensvorschriften bestehen für die fristlose Kündigung von Schwerbehinderten oder Gleichgestellten, Schwangeren und Mitgliedern des Betriebsrats. Da das Kündigungsrecht diese Personen unter besonderen Schutz stellt, gelten hier strengere Regelungen:

  • Schwerbehinderte: Die fristlose Kündigung von Schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen erfordert die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Außerdem muss das zuständige Integrationsamt der Kündigung zustimmen.
  • Betriebsräte: Für die fristlose Kündigung von Betriebsratsmitgliedern ist – neben der notwendigen Anhörung – eine Zustimmung des Betriebsrates erforderlich. Wird die Zustimmung verweigert, kann sie nur vor Gericht erstritten werden. Dann ersetzt das Arbeitsgericht die fehlende Zustimmung des Betriebsrates.
  • Schwangerschaft: In diesem Fall muss die oberste Landesbehörde einer fristlosen Kündigung zustimmen.

9. Was tun bei fristloser Kündigung?

Bei Erhalt einer fristlosen Kündigung müssen Sie schnell reagieren! Ansonsten drohen schwerwiegende Nachteile, wie eine dreimonatige Sperrzeit von der Arbeitsagentur, ein schlechtes Arbeitszeugnis und der Verlust des Beschäftigungsanspruches.

Über einen Fachanwalt für Arbeitsrecht sollte die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage geprüft werden. Häufig bestehen gute Chancen, einen Prozess zu gewinnen und eine Abfindung zu erhalten bzw. einen Vergleich auszuhandeln. Zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber notwendige Kündigungsvoraussetzungen nicht eingehalten hat, erforderliche Anhörungen oder Zustimmungsverfahren versäumt wurden oder sich der Kündigungsgrund nicht hinreichend beweisen lässt. Eine Kündigungsschutzklage ist regelmäßig mit nicht unerheblichen Risiken für den Arbeitgeber verbunden.

In einem außergerichtlichen Vergleich könnte vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht wegen eines Pflichtverstoßes, sondern aus anderen Gründen endet. Dann entfällt eine dreimonatige Sperrzeit durch das Arbeitsamt. Auch andere finanzielle Nachteile können mit anwaltlicher Unterstützung abgewendet werden.

Verbleibende Resturlaubstage müssen dem Arbeitnehmer bei fristloser Kündigung ausgezahlt werden.

Gut zu wissen: Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der fristlosen Kündigung erhoben werden. Nach Ablauf der Frist bestehen vor Gericht praktisch keine Erfolgsaussichten mehr, eine Abfindung bzw. Weiterbeschäftigung zu erwirken!

Eine Alternative zur fristlosen Kündigung wäre ein Aufhebungsvertrag. Stimmt der Arbeitnehmer zu, lassen sich langfristige und kostenintensive Prozesse vor den Arbeitsgerichten vermeiden. Manchmal ist dies die leichtere Lösung.

10. Fazit

  • Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber können ohne vorherige Abmahnung fristlos kündigen. Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes erklärt werden.
  • Eine wirksame, fristlose Kündigung erfordert eine gravierende Pflichtverletzung (wichtiger Grund). Eine Fortführung der Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist muss unzumutbar sein.
  • Es darf keine Alternativen (mildere Mittel) zur fristlosen Kündigung geben. Die Interessen an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen überwiegen.
  • Bei Schwerbehinderung, Betriebsratsbeteiligung oder Schwangerschaft stellt das Kündigungsrecht noch strengere Verfahrensanforderungen (Anhörung und Zustimmung).
  • Oft können die finanziellen Nachteile einer fristlosen Kündigung (wie die Sperre von Leistungen beim ALG I) über eine Kündigungsschutzklage abgewendet werden.